ÖKUPO Podiumsdiskussion „

GEFÄNGNISTHEATER - WARUM NICHT IN ÖSTERREICH!

27.Oktober 2010, KUNSTHALLE WIEN, 1040 Wien

Österreichische Gesellschaft für Kulturpolitik Seite 1

 

 

Gefängnistheater – Warum nicht in Österreich!

Eine Diskussion über Gefängnistheater und warum es auch in Österreich etabliert

werden sollte. Ein prominent besetztes Podium diskutierte über die aktuellen

Rahmenbedingungen für Gefängnistheater, dessen Nutzen für die Reintegration der

Strafgefangenen und die Gesellschaft sowie darüber, wie die Politik mit diesem

Thema umgeht. Zu Wort kamen Vertreter aus Kunst, Psychologie und Politik.

27. Oktober 2010 …Kunsthalle Wien – project space Karlsplatz …Treitlstraße 2,

1040 Wien

Mit: Hannes Jarolim (Justizsprecher der SPÖ im Nationalrat), Kurt Neuhold (Grüner

Kreis), Christine Luger-Hammer (Sigmund Freud Privatuniversität), Karl Markovics

(Schauspieler), Manfred Michalke (Regisseur - Wiener Vorstadttheater); Moderation:

Prof. Dr. Nikolaus Lehner (em. Rechtsanwalt); Begrüßung: Josef Kirchberger

(Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Kulturpolitik)

 

 

 

http://kunsthallewien.at/#/de/veranstaltungen/podiumsdiskussion-gefangnistheater-warum-nicht-osterreich

 

 

http://www.kulturpolitik.at/wp-content/uploads/2015/01/jahrbuch_2010-2011_osterreichische_gesellschaft_fur_kulturpolitik.pdf

 

 

 

Gerettet

 

 

Ein besonderes Trauerspiel, das Beamte des

Justizministeriums bieten. Junge StraftäterInnen

aus den Wachanstalten Gerasdorf

und Schwarzau üben monatelang unter der

Regie von Manfred Michalke das trostlose

Stück von Edward Bond. Dass ihr Leben

hinter Gittern genauso trostlos ist, brachten

sie bei der einzigen Aufführung – in Gerasdorf

– so beeindruckend ‘rüber wie die Kraft,

die in ihnen brodelt.

Das Land NÖ gab 30.000 Euro, auch weil

die Produktion in verschiedenen Theatern

gezeigt werden sollte. Doch das Justizministerium

blies alles ab. Weil die ZuschauerInnen

die Zusammenhänge nicht kapieren

und die Wachebeamten eine Flucht aus

dem Theater nicht verhindern könnten.

Fazit: Jugendliche Kraft hinter Gittern

und ein peinliches Justizministerium.

-TJ

 

   

STELLUNGNAHME DER IG KULTUR WIEN

 

Kulturarbeit im Strafvollzug muss dem 21. Jahrhundert adäquat angepasst stattfinden!

Das Beispiel der Vorgangsweise des Justizministeriums mit der Produktion des Wiener

Vorstadttheaters zeigt deutlich auf, wohin die ideologische Reise geht wenn PolitikerInnen ihr Tun

ausschließlich an rechten österreichischen Boulevardmedien ausrichten.

Zum Schaden der resozialisierenden Sozialarbeit

Zur Rekapitulation: Nach Antragstellung und Genehmigung der Produktion des Wiener

Vorstadttheaters „Gerettet!“ von Edward Bond seitens des Justizministeriums unter Maria Berger

zog das Justizministerium unter Bandion-Ortner nach monatelangen Probearbeiten die

Genehmigungen für die öffentlichen Veranstaltungen kurzerhand zurück. Die lapidare Begründung:

Es könne nicht sein, dass „Mörder Mörder spielen.“ Natürlich haben nicht die Anstaltsleitungen die

Mitwirkenden vorgeschlagen, ABER es konnten sich alle InsassInnen zum Theaterprojekt melden, da

KEINE Einschränkungen oder Auflagen seitens der Vollzugsdirektion oder des Ministeriums

bestanden. Das Wiener Vorstadttheater wusste und weiß nicht Bescheid darüber, welche Straftaten

die jeweiligen Laiendarstellerinnen verübt haben. Die Absage wenige Wochen vor den öffentlichen

Aufführungen führt, ökonomisch betrachtet, zu einem Schaden der resozialisierenden Sozialarbeit.

Der Reingewinn der Produktion wäre in den Sozialverein „Der Weg“ geflossen, also den

Haftinsassinnen selbst zu gute gekommen. Dass ohne öffentliche Aufführungen kein Gewinn möglich

ist, versteht sich von selbst, im Gegenteil, die Produktion ist damit defizitär.

Kulturarbeit hinter Gittern bedeutet öffentliche Zweitverurteilung der Anstaltsinsassinnen

Die Produktion

 

 

wurde bis dato nur einmal in der Justizanstalt Gerasdorf aufgeführt. Hinter

Gefängnismauern, praktisch mit auferlegtem Medienverboten. Dies gleicht einer Zensur von

Kulturarbeit wie zu Metternichs besten Zeiten. Wenige Tage nach der Premiere versuchte der

Boulevard die öffentliche Subventionierung der Produktion nochmals auf seine Art und Weise

aufzurollen. In der Gratistageszeitung „heute“ wird etwa berichtet, dass „Totschläger vor Schülern

auftreten wollten“, oder dass „Jung-Kriminellen ihr Theaterspaß bezahlt“ wird. Offensichtlich wird

hier der gegenwärtigen Politik von Seiten des österreichischen Boulevards eine (Kultur)Politik

diktiert, welche die IG Kultur Wien als unerträglich ansieht. Wir erklären uns bezüglich der Absetzung

der Produktion „Gerettet!“ und der Angriffe kleinformatiger Printmedien auf das „Wiener

Vorstadttheater“ unter der Leitung von Manfred Michalke mit dem „Wiener Vorstadttheater“

solidarisch.

Weiters halten wir fest, dass Kulturproduktionen mit HaftinsassInnen bis vor kurzem kein Problem

dargestellt bzw. zu keinen Problemen geführt haben und in vielen demokratischen Staaten Europas

zur Normalität gehören. Die Vorgangsweise des Justizministeriums stellt einerseits einen Affront

gegen professionelle; freie Kulturarbeit dar, andererseits hat sie zu einer öffentlichen

Zweitverurteilung und Stigmatisierung der HaftinsassInnen geführt. Dass gerade in

Jugendstrafvollzugsanstalten wie Gerasdorf der resozialisierende Charakter an oberster Stelle stehen

muss, erscheint logisch. Worin dieser bei einer derartigen Vorgangsweise liegen soll bleibt

schleierhaft. Eher erinnert diese ministerielle Posse an eine Anlehnung an Fjodor Dostojewskis

Roman „Schuld und Sühne“.

Die IG KULTUR WIEN fordert daher:

·

Die Produktion „Gerettet!“ muss in der ursprünglich vom Justizministerium genehmigten

Besetzung auf öffentlichen Bühnen aufgeführt werden.

·

Kulturarbeit mit Personen aus benachteiligten und marginalisierten Randgruppen muss

gefördert und nicht unterbunden werden.

·

Der Stellenwert der Kulturarbeit darf nicht unwidersprochen als „Freizeitvergnügen“

diskreditiert werden.

·

Als einzige urbane Interessenvertretung freier Kulturschaffender in Österreich fordern wir

maßgebliche politische EntscheidungsträgerInnen der Stadt Wien auf, politisch Stellung zu

beziehen bzw. gemeinsam mit der magistralen Ebene verstärkt Produktionen mit

sozialkritischem Hintergrund von gesellschaftlichen Randgruppen– welchen Genres und auch

immer zugehörig – zu unterstützen und fördern.

·

Keine weitere Boulevardisierung der (Kultur)Politik! Stattdessen muss eine integrative und

partizipative Kulturpolitik gefördert und öffentlich transportiert werden.

14.10.09