Verfasst am: 16.09.08 09:25 | Von: Lisa Lager | Kategorie: Veranstaltungsbericht, Schwerpunktthema

 

THEATERKRITIK "Don Quijote - ein Vorspiel"

 

 

 

Copyright: Cervantes.

 

Den Stoff des „Don Quijote“ zeitgemäß und für Jugendliche umzusetzen, bedeutet nicht gezwungenermaßen ihn mit Baseballkappe verkehrt rum auf einem Skateboard darzustellen, oder ihn gar „krochn“ zu lassen. Die neue Musiktheaterinszenierung des Dschungeltheaters Wien „Don Quijote – ein Vorspiel“, die noch heute und morgen zu bestaunen ist, geht völlig anders mit dieser Vorlage um. Im Vordergrund steht für Manfred Michalke, Autor und Regisseur des Stückes, die Message, die der spanische Klassiker vermittelt: Es geht um die Einschränkung der Persönlichkeit und der Phantasie durch vorgegebene Strukturen, die es aufzubrechen gilt. Besonders Kinder und Jugendliche, die Schwächsten einer Gesellschaft, leiden am meisten unter diesen und anderen sozialen Missständen, aber wie gehen sie damit um? Dieser Frage geht er mit den Darstellern aus dem Integrationshaus Wien, fast alle selbst Kinder und Jugendliche, in diesem Benefizstück (der Reinerlös kommt Soforthilfemaßnahmen für Gewaltopfer zugute) nach.

 

Das Stück beginnt. Stille. Dunkelheit. Nur die mechanischen Geräusche eines Staplers sind zu hören. Als sich die Augen allmählich an die Dunkelheit gewöhnt haben, erkennt man, dass das Gerät Kinder in einen (Matador-)Käfig befördert.

Diese ausdrucksstarke Szene wird zum Ausgangspunkt der Geschichte, die „Don Quijote“ keineswegs nacherzählt, sondern vielmehr dort endet, wo der Roman beginnt – ein Vorspiel also. Die Kinder schaffen es, aus dem Käfig auszubrechen und erkunden die neue Umgebung. Ein Mädchen findet einen alten Game Boy, in dessen Spielanleitung Bilder und Verse aus „Don Quijote“ wiedergegeben werden. Die anderen Kinder stehen dieser fremden Sprache zuerst skeptisch gegenüber: „Von wem ist überhaupt dieser Mist?“ – 'Copyright: Cervantes' steht da“. Bald aber ist ihre Neugier geweckt und sie beginnen, das „Spiel“ nachzubauen. Während einige bis zum Schluss lieber abhauen würden, zeigen sich andere vom Leben des Ritters von der traurigen Gestalt angetan. Er setzte sich für die Unterdrückten ein, sprach sich gegen die Einschränkung der Phantasie aus, seine Waffen waren seine Ideale. Neben diesen gewichtigen Botschaften haben im Stück aber auch Humor und Situationskomik Platz, so ist schon mal vom: „Don Quijote – Ritter und Schildkrapfen“ die Rede.

In Interaktion mit neuen Schauspielern, Frage-Antwort-Spielen und Musikstücken – allen voran ein fulminanter Rap – wird auch der Intention des Autors Cervantes selbst auf den Grund gegangen. Er wollte mit seinem Roman gegen die billigen Ritterromane seiner Zeit anschreiben, ein Motiv, das Michalke gleichsetzt mit der Notwendigkeit, sich künstlerisch gegen die Verdummungsmaßnahmen unserer Unterhaltungsindustrie zu wehren.

Konfliktfrei wird das „Spiel“ nicht zu Ende gebracht – es darf angemerkt werden, dass die jungen Darsteller, neben der Schlussverbeugung, an der wilden Kampfszene mit Plastikhämmern die meiste Freude gehabt zu haben scheinen – doch trotzdem schaffen es die Kinder, nach dem „Game Over“ die Windmühle gemeinsam zum Drehen zu bringen.

 

Großes Lob gilt den jungen Darstellern aus dem Integrationshaus, unter denen so manches große Schauspieltalent zu schlummern scheint sowie den Schülern der Musikschule Floridsdorf unter der musikalischen Leitung von Christoph Cech, die die Produktion künstlerisch noch um ein beachtliches Stück aufwerteten. Gelungene Bearbeitung mit ungebrochen aktuellen Werten aus einem Klassiker. Unbedingt hingehen!